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Unsere Rede am 13.4.

Diesen Redebeitrag haben wir auf der Demonstration am 13. April in München gehalten:

„Wir sind heute hier gemeinsam auf der Straße, um ein klares Zeichen gegen den antifeministischen und rechten Aufmarsch der radikalen Abtreibungsgegner*innen zu setzen. Ein klares Zeichen für sexuelle und körperliche Selbstbestimmung, gegen die rechten Ideologien und die Hetze derjenigen, die sich heute auf dem Königsplatz zum sogenannten „Münchner Marsch fürs Leben“ versammeln. 

Der sogenannte „Münchner Marsch fürs Leben“ ist eines der wichtigsten und größten Events der Anti-Choice-Szene in Deutschland, bei welchem nicht nur unterschiedlichste antifeministische AkteurInnen zusammenkommen und sich vernetzen, sondern sie zu allem Überfluss den öffentlichen Raum mit ihrer antifeministischen bis extrem rechten Propaganda in Beschlag nehmen – geschützt durch ein immenses Polizeiaufgebot. 

Die Anti-Choice-Szene und somit der sog. „Marsch fürs Leben“ verfolgt das zentrale Ziel Schwangerschaftsabbrüche zu verunmöglichen und damit die eh schon prekären Rechte von ungewollt Schwangeren noch weiter zu beschneiden.

Bei einem genaueren Blick auf die Inhalte und Ziele der AkteurInnen zeigt sich allerdings, dass es den Teilnehmenden des Marsches – die sich noch so familienfreundlich und anschlussfähig präsentieren können – um weit mehr geht, als Schwangerschaftsabbrüche zu verbieten: Hinter ihren Forderungen steht eine menschenfeindliche Ideologie, die es zu bekämpfen gilt. 

Der sog. „Münchner Marsch fürs Leben“ findet dieses Jahr bereits zum vierten Mal statt. Waren es zu Beginn um die 800 Teilnehmer*innen, rechnen die Organisatorinnen dieses Jahr bereits mit zwischen 6000 und 8000 Personen. Auch das Umfeld hat sich vergrößert: 

Mobilisiert wird nun nicht mehr nur von der Anti-Choice-Szene, sondern auch von dezidiert extrem rechten AkteurInnen, wie der Gruppe „München steht Auf“, die der Pandemieleugner*innen-Szene zuzuorndnen ist, der extrem rechten Zeitschrift „Junge Freiheit“ oder der „AfD“ – ja eben jener rechtsextremen Partei, die kürzlich mit ihren Remigrationsplänen mediale Wellen geschlagen hat. War es der Anti-Choice-Szene in München sonst so wichtig sich stets von der extremen Rechten abzugrenzen, fehlt diese expilizite Distanzierung dieses Jahr gänzlich.

Angesichts des gesellschaftlichen Rechtsrucks scheint es für sie gar nicht mehr notwendig zu sein, sich von rechten AkteurInnen zu distanzieren – im Gegenteil: Es wird betont, dass niemand – aufgrund seiner politischen Positionierung – von der Demo ausgeschlossen werden soll. Eine Aussage, die nur als eine dezidierte Einladung an rechte Kreise verstanden werden kann.

Wirft man jedoch einen Blick auf die hinter dem Ziel des Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen stehenden Positionen der Anti-Choice-Szene überrascht diese Anschlussfähigkeit nicht. Diese weist zahlreiche Überschneidungen mit unterschiedlichen antifeministischen und extrem rechten Spektren auf.

Besonders deutlich wird dies an einer Aussage Matt Brittons in seiner Rede auf dem letzten Marsch in München. Er ist Vorstandsmitglied von „40 Days for Life“, einer der größten, globalen Anti-Choice Vereine aus den USA. Er richtete folgenden Appel an die Teilnehmenden: 

„Ihr Alle. Ihr habt 5 Millionen Deutsche Babies getötet. 100.000 Abtreibungen in Deutschland jedes Jahr. Während ihr mit Liebe und Mitgefühl Immigranten und Kriegsgeflüchtete willkommen heißt, tötet ihr 100.000 von euren eigenen, deutschen Babies“.

An seiner ekelhaft rassistischen Aussage wird  deutlich, dass radikale AbtreibungsgegnerInnen eben nicht – wie von ihnen propagiert – für die gleiche Würde aller Menschen eintreten, sondern dass in ihrem Weltbild manche Menschen dann doch mehr Wert sind als andere: Sie müssen schon weiß, deutsch und christlich sein. 

Aber auch bei anderen Aussagen der Anti-Choice-Bewegung wird ihr antifeministischer und rechter Charakter deutlich sichtbar. So ist zentraler Bestandteil ihres Weltbildes die Verteidigung der vermeintlich natürlichen, zweigeschlechtlichen Ordnung – also die Behauptung es gäbe ausschließlich Mann und Frau – sowie daran anschließend das Propagieren der heternormativen Kleinfamilie als angeblich einzig wahre Lebensform. Die ideale Familie basiert demnach auf der Ehe zwischen Mann und Frau und wird komplettiert durch möglichst viele Kinder. Auch die rigide Sexualmoral wird hier deutlich: Sex solle natürlich nur in der Ehe passieren und dient ausschließlich dem Zweck der Reproduktion dienen. Die Rollen von Frau und Mann werden folglich durch naturalistische Zuschreibungen begründet: Während der Mann als Beschützer der Familie gilt, ist Frau-Sein unausweichlich mit Mutter-Sein verknüpft. Insbesondere die vermeintlich natürliche Bestimmung der Frau Mutter zu sein ist zentrales Element in allen Reden, die auf dem Marsch gehalten werden.

Die antifeministische Publizistin Gabriele Kuby sagte, in ihrer Rede 2022, dass eine Frau, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheide, „in eine Situation geraten [sei], in der sie nicht mehr erkennen können, welch große Berufung es ist, Frau zu sein und Leben schenken zu können“. 

Diese Vorstellung schließt die Möglichkeit komplett aus, eine Frau könnte sich aus freien Stücken und selbstbestimmt gegen eine Schwangerschaft entscheiden. Vielmehr wird behauptet sie werde durch äußere Umstände oder durch Männer zum Abbruch gedrängt.Die Frau als selbstständiges Subjekt existiert in ihrem Weltbild nicht.

Bereits an diese Stelle wird deutlich warum wir uns als Feminist*innen mit dieser Scheiße beschäftigen müssen: Sie behaupten sie wären „pro life“, „für das Leben“ also. Aber für wessen Leben demonstrieren sie eigentlich? 

Sicherlich nicht für das Leben ungewollt Schwangerer, denen so das Recht über die selbstbestimmte Gestaltung des eigenen Lebens genommen wird. Weltweit sterben jährlich viele Frauen an medizinisch fehlerhaften Abtreibungsversuchen aufgrund fehlenden Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen.

Und sicherlich auch nicht für das Leben all jener die von ihrem zweigeschlechtlichen und heteronormativen Weltbild abweichen oder ihm wiedersprechen.

Dass ihre Vorstellungen von Gesellschaft, die keine Vielfalt und freie Entfaltung ermöglicht letztlich nur durch einen autoritären Staat durchgesetzt werden könnten, ist nur logisch. 

In den Augen radikaler Abtreibungsgegner*innen ist Gott die höchste Entscheidungsinstanz, nach der alle Gesetze und Institutionen ausgerichtet werden müssen. Die Vorstellung eines christlichen Staates steht ganz klar im Widerspruch zum Guten Leben für alle.

Die totalitären Vorstellungen, gehen mit einer Diffamierung politischer  Gegner*innen, der Konstruktion von Feindbildern und Verschwörungserzählungen einher. Der Feminismus wird zum zentralen Feindbild erklärt und verantwortlich für all das gemacht, was der Vorstellung der Anti-Choiche-Szene nach in der Gesellschaft falsch läuft. Nicht selten münden diese Feinbildkonstruktionen in Verschwörungserzählungen. Es wird eine mächtige Abtreibungslobby herbeiphantasiert, welche hinter dem Kampf für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch stecken würde und deren Ziel die Bevölkerungskontrolle und Profitgenerierung durch Schwangerschaftsabbrüche sei. Als Teil dieser imagninierten, geheimen Verschörung gelten Beratungsstellen wie „plant parenthood“oder „profamilia“, Regierungen, die „WHO“, die „UNO“  oder sog. „System-Medien“. Diese Verschwörungserzählungen verknüpfen antifeministische und antisemitische Narrative zu einer gefährlichen Ideologie. 

Es wird deutlich: Den radikalen AbtreibungsgegnerInnen geht es nicht nur um ein Verbot bzw. die Verungmöglichung von Schwangerschaftsabbrüchen, sondern diese Forderung ist verknüpft mit einem extrem reaktionären, rassistischen und antisemitischen Weltbild.

Auch wenn die OrganisatorInnen des „Münnchner Marschs“ mit gelben und blauen Luftballons und vorgefertigten Schildern auf eine möglichst harmlose Darstellung achten, werden so extrem rechte Inhalte verbreitet und anschlussfähig gemacht. Genau darin liegt die Gefahr, die von der Anti-Choice-Bewegung ausgeht: 

Durch diese untrennbare Verbindung von Anti-Abtreibungspropaganda mit rechter Ideologie, werden rechte Positionen in der Gesellschaft verbreitet und verankert. Mit einer Rhetorik gegen Abtreibungen, Feminismus und vermeintlicher „Gender-Ideologie“ erreicht man eine breite Menge an Menschen, weit über das konservative bis rechte Spektrum hinaus. Christliche FundamentalistInnen und Anti-Choice-AktivistInnen sind Teil einer globalen antifeministischen Bewegung, die emanzipatorische Erfolge zunichte machen möchte und dies bereits tut.

Wozu diese Bestrebungen führen, zeigt sich nicht nur in den  USA, wo die Propaganda der christlichen Rechten dazu geführt hat, dass das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in vielen Bundesstaaten de facto wieder abgeschaft wurde. Doch auch in Deutschland sind antifeministische Backlashs zu beobachten.

Wir lassen nicht zu, dass die AbtreibungsgegnerInnen vom sog. „Münchner Marsch fürs Leben“ heute und an allen anderen Tagen ihre antifeministische, queerfeindliche und rechte Ideologie unwidersprochen auf die Staße tragen können.

Lasst uns gemeinsam für eine Welt kämpfen, in der wir ohne Angst verschieden sein können und niemand das Recht hat, über unsere Körper zu entscheiden! Our Bodies, our lives!

Es gilt weiterhin und speziell heute allen AntifeministInnen und AbtreibungsgegnerInnen, allen Rechten und sonstigen Menschenfeinden das Handwerk zu legen.“